Die wirtschaftliche Lage stellt die Real Estate Branche vor erhebliche Herausforderungen2. Steigende Zinsen, Energie und Baukosten sowie wachsende Inflation limitieren das Wachstum und führen zu einer Stagnation im Markt. Regulatorische Anforderungen, Megatrends wie die Digitalisierung und ESG erhöhen den Anpassungsdruck3. In dieser Konsolidierungsphase werden ineffiziente Strukturen sichtbarer denn je. Suboptimale Prozesse und inkongruente Verträge verursachen Reibungspunkte in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern. Fehlende gemeinsame Anreize führen zu Silooptimierungen und behindern die gemeinschaftliche Leistungserbringung. Für eine erfolgreiche Zukunft müssen Unternehmen ihre Strukturen und Prozesse hinterfragen, Partnerschaften professionalisieren, exogene Einflussfaktoren erkennen und nutzen sowie ihre Organisation konsequent mittransformieren. Diese Maßnahmen erhöhen die Resilienz und Leistungsfähigkeit, wodurch Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und ihre Geschäftsmodelle zukunftssicher gestalten können.
Die aktuelle wirtschaftliche Situation der Immobilienbranche hat sich seit ca. zwei Jahren grundlegend verändert und ist unter Strich deutlich schlechter geworden. Mit der Zinswende endete eine über 10 Jahre andauernde Zeit des Wachstums. Was anfangs noch ein kleiner Dämpfer war, entwickelte sich auch für Big Player zunehmend zu einem existenzbedrohenden Problem4. Möglicherweise haben wir das Schlimmste mittlerweile hinter uns, doch mit der kommenden Finanzierungslücke und mit der Konsolidierung kommen weitere Herausforderungen auf uns zu. Valide Vorhersagen zu aktuellen politischen Veränderungen und deren Folgen für die Wirtschaft und unsere Branche sind derzeit nahezu unmöglich. In jedem Falle ist dieses Plateau der aktuellen Lage der ideale Zeitpunkt, um Strukturen zu überdenken und Anpassungen vorzunehmen, um sich einen Wettbewerbsvorteil für den nächsten Aufschwung zu sichern; Resilienz und Anpassungsfähigkeit in einem volatilen Umfeld sind dabei die auszubildenden Kompetenzen.
Zehn Jahre lang ging es für das Real Estate Management nur bergauf5. Schnell verfügbare und organisch wachsende Strukturen waren das beliebteste Mittel, um die Menge an Transaktionen bewältigen zu können. Diese Strukturen machen sich nun, in der Zeit der Konsolidierung, bemerkbar: Was aufgebaut wurde, skaliert meist nicht oder nur schlecht. Ineffizienzen schlagen merkbar zu Buche und einst rentable Ventures werden nun vom verwaltungstechnischen Overhead aufgezehrt, teilweise bis ins Defizit. Tückisch wird es, wenn die Cost Center tief in den Strukturen sitzen. Falls sie überhaupt bekannt sind, sind sie so vernetzt, dass ein Herauslösen nicht ohne weiteres möglich ist. Die Probleme zu identifizieren und gezielt zu adressieren, ist im laufenden Betrieb oft kostspielig und zeitaufwendig. Neben dem Tagesgeschäft ist das in der Regel nicht zu bewerkstelligen.
Durch den jahrelangen Aufbau von ineffizienten Strukturen ergeben sich vielerlei Probleme, die sich erst im aktuellen Umfeld bemerkbar machen. Unternehmensinterne Prozesse, gerade solche mit externen Schnittstellen, sind häufig dynamisch gewachsen und an sehr spezifische Rahmenbedingungen angepasst. Damit sind sie aber im Allgemeinen nicht resilient und nur eingeschränkt adaptierbar. Infolgedessen kommt es zu Reibungspunkten in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern6. Die Ursachen hierfür liegen in Verträgen, die unter Zeitdruck abgeschlossen wurden und Unstimmigkeiten aufweisen sowie in einem für die Branche typischen Zusammenarbeitsverständnis. Leistungskataloge und -verzeichnisse umfassen häufig nicht das gesamte Spektrum erwartbarer oder auch notwendiger Leistungserbringungen, da sie in Zeiten verfasst wurden, in denen beispielsweise das Abschreiben einer Immobilie aus Kosten-Nutzen-Überlegungen nicht notwendig und damit nicht präsent war. Fehlende gemeinschaftliche Incentivierung führt zudem zu Silooptimierungen der Unternehmen, die ihren eigenen Vorteil weit über die gemeinschaftliche Leistungserbringung für die Kunden stellen.
Mit Blick auf veränderte Anforderungen am Markt ist es an der Zeit, die bisherige Art und Weise der Leistungserbringung zu hinterfragen, um resilienter und leistungsfähiger zu werden. Hierfür gibt es grundlegend vier Stellhebel:
- Vorhandene Strukturen, Prozesse und ihre Governance hinterfragen
- Auf Partner vertrauen und die Beziehungen professionalisieren
- Exogene Einflussfaktoren erkennen und für sich zu nutzen
- Die Organisation in der Veränderung konsequent mitnehmen
Die Strategie zur Erreichung dieser Ziele ist, operativ exzellent zu werden. Das bedeutet, das bestmögliche Zusammenspiel dieser Stellhebel sicherzustellen, um schlussendlich das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, insbesondere die eigene Profitabilität zu erhalten oder sogar zu steigern. Erfolgsfaktoren für das Erreichen von Operational Excellence sind dabei ein effizientes Operating Model, professionelles Partnermanagement, Market Awareness und ein ergänzendes Change Management.
Für den reibungslosen Ablauf aller Prozesse müssen Konfliktpotentiale, Schnittstellenasymmetrien und Verschwendungsarten identifiziert und zielgerichtet beseitigt werden. Schnittstellen zu Kunden und Dienstleistern müssen spezifiziert und standardisiert werden, um reibungslose Zulieferungen zu ermöglichen7. Mit einem klar definierten Operating Model mit etablierten Prozessbeschreibungen, eindeutigen Rollenbeschreibungen, Schnittstellen und Steuerungsmechanismen sprechen alle Prozessbeteiligten dieselbe Sprache. Es fördert ein gemeinsames Zielverständnis, was die Effizienz erhöht und Konflikte vermeidet. Mit Ende-zu-Ende definierten Teilprozessen werden Übergabeverluste minimiert und reibungslose Abläufe ermöglicht. Bei der Ausgestaltung und Optimierung sind dabei die Endkunden im Fokus zu behalten, um die Qualität der eigenen Leistungen weiterhin sicherzustellen.
Die Zusammenarbeit mit Externen ist für die Real Estate Branche ebenso unerlässlich wie geschäftsdefinierend. Ob Abnehmer oder Zulieferer, Auslagerung oder Beratung, Geschäftspartner wollen sorgsam ausgewählt und mit Augenmaß gesteuert sein. Oftmals ergeben sich Probleme in der Zusammenarbeit, wenn die entsprechenden Verträge uneindeutig sind oder Leistungskataloge Lücken aufweisen. Diese Lücken kommen oft erst mit der Zeit zum Vorschein. Gerade bei Erstauslagerungen ist es nicht einfach, den benötigten Leistungsumfang genau abzuschätzen. Hier lohnt sich der Blick in Best Practices der Branche und Erfahrungswerte; klar definierte Service Level und Beistellleistungen helfen bei einem gemeinsamen Verständnis der Zusammenarbeit und einem reibungslosen Ablauf. Damit können sich alle Akteure auf das Wesentliche in der Partnerschaft fokussieren: die Zielerreichung des bestmöglichen Ergebnisses für den Endkunden.
Wie viele andere Sektoren ist auch die Real Estate Branche von unterschiedlichen Megatrends betroffen, die die Ausrichtung des Unternehmens und die Art des Arbeitens verändern, aber auch neue Möglichkeiten der Wertschöpfung erschließt: zwei der größten Faktoren sind die Digitalisierung und die weiter zunehmende Bedeutung von ESG-Kriterien. Das ubiquitäre Fortschreiten der Digitalisierung und der rapide Aufstieg von KI in Business-Applikationen schafft neue Möglichkeiten der Datenverarbeitung, aber auch der Interaktion mit Partnern; wie so oft gilt es hier, sich bewusst und gezielt auf den Wandel einzulassen und von wertvollen Wettbewerbsvorteilen zu profitieren. ESG auf der anderen Seite ist ein Sammelbegriff für diverse Entwicklungen hin zu Sustainable und Conscious Real Estate, die einerseits noch in einem Frühstadium der Entwicklung sind, andererseits aber bereits jetzt maßgeblich den Wert von Immobilien beeinflussen und nicht zuletzt auch regulatorisch forciert werden. Sich des Marktes bewusst zu sein heißt hier, diese Entwicklungen im Auge zu behalten und ihnen proaktiv zu begegnen. Eine aus Marktstandards abgeleitete Risikoberichterstattung ermöglicht, wesentliche Handlungsfelder rechtzeitig zu identifizieren und mit Hilfe einer etablierten Dekarbonisierungsstrategie ein vorzeitiges Stranding von Assets zu verhindern. Technologieoffenheit ist zudem eine Voraussetzung, um die Vielzahl an sich bietenden Möglichkeiten der Digitalisierung für sich im Unternehmen gewinnbringend einzusetzen.
In vielen Unternehmen sind Strukturen etabliert, in denen ihre Mitarbeitenden seit Jahren gearbeitet und an die sie sich gewöhnt haben. Da das Marktumfeld sich ändert, ist eine Veränderung dieser Strukturen unvermeidlich. Egal, ob präventiv optimierend eingegriffen wird oder reaktiv auf den Umschwung gehandelt wird, die Mitarbeitenden sind immer betroffen. Umso wichtiger ist es, solche Veränderungen zu kommunizieren und Mitarbeitende mitzunehmen und aktiv zu begleiten. Nur so kann die langfristige Akzeptanz von Maßnahmen gewährleistet werden, mit direkter Wirkung auf Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität, und damit direkter Rückwirkung auf die Wirksamkeit der Maßnahme. Darüberhinausgehend ist es wichtig, diese Veränderungsbereitschaft nicht nur einzelfallbezogen bei der Einführung konkreter Maßnahmen einzufordern, sondern vielmehr die eigenen Mitarbeitenden darauf vorzubereiten, dass Veränderung in den kommenden Jahren ein integraler Bestandteil der Branche werden wird. Hier den richtigen Ansatz zu wählen, den Mitarbeitenden Halt und Stabilität in einem ehemals stabilen und nun werdend volatilen Umfeld zu geben, kann den Unterschied zwischen Wachstum und Stagnation ausmachen.
Die aktuelle Marktphase ist herausfordernd. Sie kann eine Hürde sein, wenn man ihr starr begegnet. Gleichzeitig ist sie jedoch eine Chance, sich zu sammeln und neu aufzustellen, wenn man bereit ist, sich dem Wandel anzupassen. Mit einer Mischung aus Einführung neuer Elemente und Umformung bestehender Strukturen lassen sich etablierte Geschäftsmodelle an die neuen Verhältnisse anpassen und zukunftssicher gestalten. Was es dafür braucht, ist das richtige Verhältnis aus Erfahrung und kreativen Ideen.
Fazit
Viele Strukturen und Prozesse in Unternehmen der Real Estate Branche sind ineffizient. Diese Defizite fallen mit dem Umschwung des Marktes besonders ins Gewicht. Operational Excellence mit seinen Aspekten ist der Schlüssel dazu, aus vormals rentablen Prozessen und Strukturen jetzt noch mehr herauszuholen und nicht nur die Krise zu überstehen, sondern besser aufgestellt in den nächsten Aufschwung zu gehen.Vollständiges Whitepaper zum Download: hier
Für Rückfragen oder weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Kai Nelson Dreisigacker
Geschäftsführer
E-Mail: kndreisigacker@reax-advisory.de
Quellen:
1Giesen, P., Hofmann, L. & Zillmann, M. (2024): Operational Excellence als Schlüssel für eine erfolgreiche digitale Transformation: Eine Studie in Kooperation mit Lünendonk über die Bedeutung der Operations für Finanzdienstleistungs- und Immobiliensektor der Zukunft
2Drees & Sommer (2024): Trendstudie Corporate Real Estate Management
3Pfnür, A. & Wagner, B. (2018): Transformation der Immobilienwirtschaft: Eine empirische Studie deutscher immobilienwirtschaftlicher Akteure, in: Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis, Nr. 37.
4Walker, A. (2024): 630 Insolvenzen bisher: Immobilienunternehmen gehen reihenweise pleite, [Link].
5DIW Berlin (2020): Boom ist beendet: Immobilienpreise in Deutschland fallen, [Link].
6Morath, A., Gebert, C. (2022): Die Auswirkungen immobilienwirtschaftlicher Transformation auf das Property Management, in: Pfnür, Andreas, Eberhardt, Martin, Herr, Thomas (Hrsg.), Transformation der Immobilienwirtschaft, Wiesbaden: Springer Gabler. [Link].
7Eberhardt, M., Morath, A. & Gebert, C. (2021): Objektperformance, Effizienz & Qualität: Potentiale im Asset- und Property Management bleiben weiter ungenutzt. The Property Post [Link].